... oder möchtest sie führen?
Das nach wie vor gängigste Beziehungsmodell ist die Monogamie. Als ich ein Teenager war und der Wunsch nach einer Beziehung aufkam, war es selbstverständlich, dass ich sie nur mit einem Menschen eingehen möchte und Exklusivität (Treue) das oberste Gesetz ist. Es gibt nur uns. Als würde man sich zu zweit in einer Festung verschanzen. Mir kam weder der Gedanke, das ganze Konzept zu hinterfragen, noch, dass es womöglich noch andere Möglichkeiten gibt, Liebesbeziehungen zu führen.
Erst nach meiner ersten, gescheiterten Beziehung, fing ich an, mich, meine Gedanken, mein Verhalten, meine Gefühle zu hinterfragen. Und irgendwann dieses Beziehungskonstrukt, was nicht länger zu meinem Lebensstil und meinen Bedürfnissen passt. Daher schreibe ich diesen Beitrag. Manche Dinge nimmt man als selbstverständlich hin und ist vielleicht gar nicht glücklich damit, aber man kommt einfach nicht auf die Idee, genau diese Dinge zu hinterfragen, weil man sie halt als gegeben ansieht.
Ich glaube zudem, dass die Konditionierung ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden darf. In den Hollywood-Romanzen, Liebesromanen etc. wurde das monogame Konzept vorgelebt. Mittlerweile gibt es Serien (z.B. You Me Her), Filme, die auch andere Beziehungen zeigen. Was sicherlich einige zum Nachdenken anregt. Und vielleicht stellt man eben auch fest, dass eine monogame Beziehung genau das Richtige für einen ist. Ist es nicht ein schönes Gefühl, sich bewusst für etwas zu entscheiden?
Mir geht es also nicht darum, die Monogamie schlecht zu machen. Ich möchte einfach nur ein Bewusstsein dafür schaffen. Es gibt sicherlich noch mehr Gründe/Bedürfnisse, weshalb man sich das monogame Konzept wünscht – ich bin definitiv nicht imstande, jegliche Perspektiven einzunehmen und sämtliche Beweggründe zu erfassen. Hier folgen nun ein paar, die mir in den Sinn kommen:
Der Wunsch, sich emotional ganz auf einen Menschen einzulassen und eine tiefe Verbundenheit (spirituelles Bedürfnis) zu erschaffen
Eine tiefe emotionale Bindung aufzubauen, erfordert viel Zeit, Energie und Arbeit. Bei einer polyamoren Beziehung muss man seine Aufmerksamkeit und Zeit auf mehrere Menschen aufteilen. Neben den ganzen Alltagsherausforderungen bleibt einfach weniger Kapazität über, so richtig in die Tiefe zu gehen. Es dauert, bis man das Gefühl hat, jemanden richtig gut zu kennen und sich gegenseitig blind zu verstehen.
Das Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität
Ich denke, dass dieses Bedürfnis die meisten Menschen antreibt, eine feste, exklusive Beziehung einzugehen. Der Gedanke an eine offene Beziehung weckt Verlustängste. Man braucht jemanden, der einem den Rücken stärkt und der in Krisensituationen für einen da ist. Man möchte nicht ganz auf sich allein gestellt sein.
Mangelnder Selbstwert und Bedürftigkeit nach (emotionaler, körperlicher) Nähe
Braucht man die Liebe, Bestätigung, Aufmerksamkeit eines anderen Menschen, um sich gut zu fühlen und kann die Zeit mit sich selbst kaum ertragen? Man wünscht sich einen Menschen in seinem Leben, der die Leere füllt. Der Gedanke an eine offene Beziehung löst Eifersucht (Verlustangst) aus.
Der Wunsch nach einer eigenen Familie
Man möchte gerne Kinder bekommen und seine eigene Familie aufbauen. Diesen Wunsch kann man natürlich auch hinterfragen … Wünscht man sich insgeheim, geliebt und gebraucht zu werden? Oder aber es war einem schon immer klar, dass man irgendwann Kinder großziehen möchte und das gemeinsam mit einem geliebten Menschen? Zudem kann man diesen Wunsch auch in einem polyamoren Konzept umsetzen – ist womöglich etwas komplizierter ...
Statussymbol
Man möchte in einer Beziehung sein, weil man es "uncool" findet, Single zu sein. Da geht es in erster Linie nicht um körperliche Bedürfnisse oder emotionale (lieben und geliebt werden), sondern um gesellschaftliche Anerkennung. Vielleicht gehen einem aber auch die Verwandten und Freunde auf den Zeiger, die ständig fragen, wann sich der Beziehungsstatus endlich ändert und man jemanden fürs Leben findet. Andere Beziehungskonzepte, wie z.B. Polyamorie, werden von vielen nicht verstanden oder belächelt, daher "muss" es dann eine gängige monogame Beziehung sein, um sich dazugehörig zu fühlen und nicht ausgeschlossen zu werden.
Dann gibt es natürlich noch religiöse Beweggründe, die einem jedoch sicherlich bewusst sind.
Ich persönlich sehe für mich keinen Grund mehr, eine monogame, exklusive Beziehung einzugehen. Viele gehen eine aus Verlustangst ein (und haben dann oft das Gefühl, sich die Liebe verdienen zu müssen, damit der Partner sie nicht verlässt). Bei mir ist es eher so, dass ich Verlustangst beim Gedanken an eine monogame Beziehung bekomme. Ich würde mich nie sicher fühlen und habe Angst davor, in eine Co-Abhängigkeit zu fallen.
Mir ist es viel lieber, man ist einfach zusammen und schenkt sich Freiheit. Ohne Konzept bzw. kann man es eine offene Beziehung nennen, wenn man möchte. Allerdings sehen viele nur den sexuellen Aspekt und meinen dann, dass beide einen Hunger nach Sex und fremder Haut verspüren – blödes Vorurteil. Für mich bedeutet es vielmehr, dass jeder frei ist, die Erfahrungen zu machen, die er machen möchte. Das muss nicht immer sexuell ausgerichtet sein. Das kann auch der Wunsch nach einer langen Reise sein, die man alleine machen will.
Ich möchte nicht, dass eine funktionierende Beziehung daran geknüpft ist, sich gegenseitig die Bedürfnisse zu erfüllen oder Kompromisse einzugehen. Ich möchte keine Erwartungen erfüllen müssen und möchte selbst keine stellen.
Mittlerweile habe ich die Erfahrung gemacht, einen Menschen bedingungslos zu lieben und zu akzeptieren, wie er ist. Diese Liebe ist befreiend, weil sie eben nicht erwartet, zurück geliebt zu werden und sich auch nicht nach Nähe sehnt. Die Liebe an sich ist erfüllend. Vielleicht ist es auch die Freiheit, die in ihr steckt.
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